COVID-19-Krise – wie viele dürfen sterben?
01.05.2020 00:00Mitte März musste das gesamte Wirtschaftsleben eine Vollbremsung hinlegen, was unser Gesundheitsminister damit begründete, dass es unser Alten wert sind, dass alles getan wird, um Todesfälle zu vermeiden. 38 Mrd. Euro will die Regierung in die Hand nehmen, um Härtefälle abzufedern, eine Million Kurzarbeiter und hunderttausende Arbeitslose zu finanzieren . Schulen und Universitäten wurden zugesperrt, ebenso fast alle Rehabilitationskliniken und in den Akutspitälern wurden über 20.000 Betten freigemacht bzw. die darin liegenden Patienten mehr oder weniger hinaus geworfen, geplante Behandlungs- und OP-Termine massenweise abgesagt.
Die anfängliche Schockstarre vor dem Hintergrund von (unseriös) prognostizierten 100.000 Corona-Toten in Österreich und Horrorgeschichten aus Italien bewirkte Folgsamkeit. Die Leute bekamen Angst und blieben daheim. Slogans wie „Wir halten z´sam“ und „Gemeinsam schaffen wir das“ waren allgemein akzeptiertes Motto.
Inzwischen ist die Kurve mit den Neuinfizierten weit runter gekommen. Und es regte sich zunehmend Kritik. Waren diese radikalen Schritte wirklich notwendig? Aus Schweden kamen Berichte, dass man dort einen anderen sanfteren Weg ging, der inzwischen auch zu einem Abebben der Pandemiewelle führt. Bei allerdings 5 x so vielen Todesfällen. Andererseits erfuhr man aus Belgien, dass bei ähnlich verordneten Maßnahmen wie in Österreich dort mehr als 13 x so viele an Covid 19 verstarben. Überall sind es überwiegend alte Menschen und da wieder solche mit mehreren chronischen Vorerkrankungen.
Die entbrannte Diskussion beschäftigt sich damit, ob all dies gerechtfertigt war, um 1000,2000 oder 3000 Todesfälle zu vermeiden? Todesfälle unter Alten in Pflegeheimen, chronisch Kranken, Menschen, die ohne Covid 19 vielleicht noch eine Lebenserwartung von 6 Monaten oder 1 Jahr haben. Der Gesundheitsminister sagt damals: Ja. Das ist die eine Seite…..
….auf der anderen Seite sind die entstandenen riesigen Probleme vielfältig. Viele Kranke standen vor verschlossenen Ordinationstüren. Der Hausarzt hatte zugesperrt. Wandte man sich an 1450, bekam man selbst nach Stunden niemand an die Leitung. Krebspatienten erhielten nicht mehr ihre Chemotherapie oder die geplante Operation wurde verschoben. Für manche Krebspatienten dadurch vielleicht ein früherer Tod, als er hätte sein müssen oder eine Heilung wird zum späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sein. Chronisch Kranke hatten plötzlich keine Betreuung mehr. Mögliche Todesfälle, die in Statistiken aufscheinen, worüber wir nicht informiert werden. Unzählige Menschen mit akuten Behinderungen wurde der dringend benötigte Reha-Termin abgesagt. Geht nicht mehr, die Klinik ist geschlossen, die Ärzte und Therapeuten sitzen zu Hause. Für so manchen mit der Folge, für den Rest des Lebens mit Behinderungen leben zu müssen, die er oder sie eigentlich nicht hätte haben müssen. Alle anderen Kranken wurden zu Patienten 2. Klasse. Alles wurde Covid 19 untergeordnet.
Hunderttausende Schüler und Studenten durften nicht mehr in die Schulen und Universitäten. Alle geschlossen. Wie das zu Hause mit dem Lernen funktionierte, darf man leidgeprüfte Mütter fragen, die neben dem quengelnden Kind vielleicht auch noch Homeoffice machen sollen. Studierende konnte Praktika nicht machen, Labors und Lehrräume wurden geschlossen. Das Erreichen von Lernzielen ausser Reichweite.
65.000 Alte werden in Pflegeheimen betreut. Sie wurden eingesperrt, abgeschottet von ihren Familien. Nur das Telefon oder ein kleiner Bildschirm blieb als einzige Kontaktmöglichkeit. Mehrfach hörte ich alte Menschen klagen: Mir ist wurscht, ob ich an Corona sterbe, ich will nur meine Lieben wieder in meiner Nähe haben.
Ein-ein-halb Millionen sitzen zu Hause, ohne Job. In engen Stadtwohnungen sinkt die Frustrationstoleranz. Man geht sich auf die Nerven. Zukunftsängste bestimmen den Alltag. Finanzielle Sorgen auch. Die Gewaltschwelle sinkt. Davon betroffen sind vor allem Frauen und Kinder.
Auf die gewaltigen wirtschaftlichen Schäden verbunden mit unzähligen Einzelschicksalen von Unternehmern will ich hier nicht mehr eingehen. Darüber wurde und wird an anderen Stellen oft genug berichtet.
Personen, die diese Argumente vorbringen, wird von jenen, die alle restriktiven Maßnahmen für gerechtfertigt halten, gelegentlich der Vorwurf gemacht: Ja, der redet da groß daher, nur hätte er in seiner Familie einen Todesfall, würde er ganz anders reden.
Eine solche Diskussion hat daher auch ihr Gutes. Es soll über Sterben und Tod gesprochen werden. In unserer Gesellschaft wird Sterben tabuisiert. Man darf nicht sterben, die Ärzte dürfen niemanden sterben lassen. Für die alte Urli-Oma muss alles getan werden. Das ist die Meinung nicht weniger. Sterben ist allerdings normal, so normal wie die Geburt. Sterben ist Teil des Lebens und am Lebensende darf man sterben. Für alte chronisch Kranke ist der Tod nichts Schreckliches, er ist oft die Erlösung. Ob das nun Covid 19 oder Grippe, eine bakterielle Lungenentzündung oder ein Schlaganfall oder ein Krebs im Endstadium ist, ist irrelevant.