Das demokratische Dogma

03.01.2019 00:00

Während der vergangenen Jahrzehnte,  schon lange vor dem Fall des eisernen Vorhangs, mahnten amerikanische und europäische Politiker auf Visite bei Kollegen im Osten Europas oder irgendwo in der sogenannten Dritten Welt mit gebetsmühlenartiger Regelmäßigkeit und erhobenem Zeigefinger ein, Demokratie zuzulassen und freie Wahlen abzuhalten.  Als mit dem Kollaps der Sowjetunion der gesamte Ostblock implodierte, schien der Triumph der Demokratie über das „Böse“ gekommen zu sein. Die USA schwang sich zur alleinigen Hüterin politischer Ethik auf. Es durfte nicht angezweifelt werden, was die Administration in Washington sagte.

Trotzdem, irgendwie gelang dieser bejubelte Triumph doch nicht so richtig. Russland hatte bald vom demokratisch gewählten Alkoholiker Jelzin genug und bejubelte seinen Nachfolger Putin, der das Land wieder straff zügelte und demokratische Wahlen zur Farce machte. In Rumänien und Bulgarien haben die Menschen von demokratisch gewählter Korruption die Nase voll, in Polen und Ungarn vertrauen die Leute lieber Politikern, die auf Autorität setzen, sehr zum Missfallen liberaler Demokratieverfechter bei den westlichen Nachbarn.

Begann der „arabische Frühling“ in Tunesien, wo durch die Proteste Diktator Ben Ali „in die Wüste“ geschickt wurde, und schien es, dass durch das rasche Übergreifen der Revolten auf andere arabische Staaten die Demokratie siegen würde, so blieb es beim Schein: In Libyen wurde zwar mit „demokratischer“ westlicher Hilfe der Diktator verjagt und abgemurkst, seither herrscht dort aber Anarchie, in Ägypten wurde das Land erst wieder durch einen Armeegeneral stabilisiert und Syrien versank in einem mörderischen Krieg und wurde Spielball anderer Mächte.

Im größten Land Südamerikas, in Brasilien, gewann nun ein Mann die Wahl, der ebenfalls auf Autorität setzt. Seine demokratisch gesinnten Vorgänger versanken im Sumpf der Korruption. In Afrika schien die Überwindung der Apartheid im südlichsten Land ebenfalls ein Sieg für die Demokratie zu werden. Was aus diesem Land geworden ist, zeigen Statistiken jeglicher Art: Staat, Rundfunk, Fluggesellschaft, Energieversorger, alle pleite, Kriminalität auf Rekordniveau, ein Staat der verdreckt und verrottet. Auch die Wahlen wurden zur Farce, da ungebildete Menschen leicht mit Lügen zu ködern sind.

Und es gibt jene, die nie auf Demokratie setzten, die westliche Mahnungen schroff zurück wiesen und darauf pochten, ihren eigenen Weg gehen zu wollen. Das gilt für Vietnam, das nach Sieg und Wiedervereinigung unter kommunistischer Führung einen erstaunlichen Aufschwung erlebte. Das gilt für China, das seit dem Kurswechsel  unter Deng Xiaoping das ehrgeizige Ziel  verfolgt, die USA als Nummer 1 ablösen zu wollen. Das gilt für das kleine afrikanische Land Ruanda, wo der heutige Staatschef Paul Kagame nicht nur für sich verbuchen kann, das Abschlachten der Tutsis durch die Hutus beendet zu haben, sondern auch das Land mit harter Hand regiert. Opposition  bleibt unerwünscht. Und Ruanda mutierte aus einem zerstörtem Land zu einem afrikanischen Musterstaat, sauber und für afrikanische Verhältnisse erfolgreich. Ganz im Gegensatz zum bevölkerungsreichsten Land Afrikas, Nigeria, das trotz Ölreichtum arm blieb, von Bürgerkrieg zerrissen ist und wo eine reiche Clique die Geldern aus dem Ölverkauf in die eigenen Taschen fließen lässt.

Paul Kagame: „Die Heuchelei der Europäer ist überwältigend“

 

So stellt sich schon die Frage: Ist Demokratie jene Staatsform, die für alle Länder die beste sein muss?

Hat sich nicht auch in der westlichen Welt Demokratie langsam entwickelt und wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg allgemein akzeptierte Staatsform? Macht es Sinn, diese Staatsform Ländern mit völlig anderer Tradition, anderer Kultur und anderer Mentalität mit oder ohne Gewalt überzustülpen? Schafft man mit dieser Denkart und Vorgehen nicht vielmehr großes Unheil?

Ich denke, Demokratie setzt Bildung, kritisches Denken und demokratische Reife voraus. Selbst bei uns gibt es da Defizite, wie es Parteien und soziale Medien leider offenbaren. Wie soll das daher in Ländern funktionieren, wo selbst diese basalen Voraussetzungen überhaupt nicht gegeben sind?