Die Brucker Heiligen-Geist-Kapelle (einstmals Dreifaltigkeitskapelle)

06.03.2016 00:00
Vielen Autofahrern dürfte die Heiligen-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur wohlbekannt sein. Fährt man von der S6 kommend Richtung Graz ab, liegt rechter Hand hart an der Schnellstraße ein bis 2012 wenig ansehnliches herab gekommenes graubraunes Gebäude.
Dabei handelte es sich um eine gotische Kirche mit dreieckigem Grundriss, drei Portalen und darüber drei Fenstern. Im Inneren befand sich in jeder Ecke ein Altar, geweiht Gott Vater, dem Gottessohn und dem Heiligen Geist.
Sechs Personen wollen heute die Kapelle, die wohl anstelle einer um 1480 zerstörten Kapelle samt Pestspital errichtet wurde, der Nachwelt erhalten. Es handelt sich dabei um den Grazer Theologen Philipp Harnoncourt und seine fünf Geschwister Alice Whiteside, Lily Theiner, Nikolaus(+) und Karl Harnoncourt sowie Franz Harnoncourt-Unverzagt. Philipp Harnoncourt hat im Rahmen einer Exkursion die Kapelle besichtigt und beschlossen, sie vor dem Verfall zu retten.

Textquelle: Kleine Zeitung (verändert und gekürzt)

www.youtube.com/watch?v=gqeHdFWJgLY

Geschichte

Die ehemalige Heiligen-Geist-Kapelle in Bruck ist eine Besonderheit der spätgotischen Architektur, nicht nur in Österreich. Sie wurde in den Jahren 1494 bis 1497 von angesehenen und wohlhabenden Brucker Bürgern an der Stelle der 1420 errichteten und 1480 zerstörten Kapelle gestiftet und erbaut. Die Bauherren, allen voran die bürgerlichen Familien Kornmesser, Pögl und Holzapfel, waren typische Vertreter des neuen, erfolgreichen und selbstbewussten Bürgertums des späten 15. Jahrhunderts, das auch die Stadt Bruck zur Hochblüte gebracht hat.

Im Gegensatz zu den bisherigen Bauherren aus Adel und Klerus waren sie keiner Bautradition verpflichtet. Sie errichteten die Kapelle in einer noch nie dagewesenen Form auf dem Grundriss eines gleichseitigen Dreiecks mit abgeschrägten Ecken, die im Inneren durch Arkaden zu Altarnischen ausgegliedert sind, sodass sich ein sechseckiger, zentraler Innenraum ergibt, dessen Form vom prachtvollen Sternrippengewölbe aufgenommen wird.

Es ist gut vorstellbar, dass dieses Gebäude in der Bevölkerung des ausgehenden Mittelalters großes Aufsehen erregt hat. Bis 1783 wurden hier Gottesdienste gefeiert, danach stand die Kapelle leer und war dem Verfall preisgegeben. Am 9. August 1794 wurde beim Bistum Leoben die Entweihung der Kapelle beantragt, die im Auftrag des Bischofs am 7. Oktober vom Brucker Stadtpfarrer vollzogen worden ist.

Das Gebäude wurde versteigert und ging an den Meistbieter, den Brucker Postmeister Ignaz Weigel. Er brachte seine Postpferde und ihren Futtervorrat hier unter. 1817 wurde dem Gastwirt Franz Oberländer gestattet, das Gebäude in ein Wirtshaus mit Gästezimmern umzubauen. Die Bezeichnung "Geistwirt" war bis in das 20. Jahrhundert bekannt. 1921 kam es zu weiteren "Renovierungsarbeiten", denen die schönen Maßwerkfenster zum Opfer gefallen sind. 1955 erwarb die Stadt Bruck das Gebäude und richtete Wohnungen darin ein. Mit dem Bau des Autobahnknotens, dem die Kapelle beinahe zum Opfer gefallen ist, ging die Wohnqualität verloren. Seit 1999 steht das Gebäude leer.

Mag. Irmengard Kainz, Leiterin des Stadtmuseums Bruck an der Mur

Bildquelle: Wikipedia/E.mil.mil (2012: leerstehendes Gebäude, bis 1999 für Wohnzwecke genutzt)

Seit 2011 setzt sich die Familie Harnoncourt - darunter Dirigent Nikolaus und allen voran Theologe Philipp Harnoncourt - für die Erhaltung des spätgotischen Baujuwels in Bruck an der Mur ein. Im Jahr 2012 wurde ein Verein zur Förderung der Wiederherstellung der Heiligen-Geist-Kapelle gegründet. Die Sanierung der Kapelle zielt drauf ab, den ursprünglichen Charakter des Gebäudes außen und innen wieder herzustellen. Die nicht mehr vorhandenen Elemente wie die Glasfenster, die Portale, die Beleuchtung, der Fußboden sollen eine zeitgemäße künstlerische Gestaltung erhalten. Sechs Planungsbüros waren zu einem Architektur- und Kunstwettbewerb zur Restaurierung der spätgotischen Kapelle im Süden der Stadt geladen.

Als Gewinner ging das Trofaiacher Architektenbüro hervor, das nun den ursprünglichen Charakter des Baus so gut wie möglich erhalten soll; weiters sollen die fehlenden Elemente wie das Dach, Türen, Fenster und der Fußboden ergänzt und das Umfeld der Kapelle gestaltet werden. Die Kosten für die Restaurierung werden auf rund 1,5 Mio. Euro geschätzt; sie sollen zu einem Drittel von der öffentlichen Hand (Bund, Land, Stadt) und zu zwei Dritteln von Sponsoren kommen.

Text: steiermark@ORF.at/ Förderverein Heiligen Geist Kapelle Bruck an der Mur

 

Bildquelle: Förderverein Heiligen Geist Kapelle Bruck an der Mur (2015: Aussenfassade und Dach fertig, Fenster, Türen, Innenraum und Umgebungsgestaltung fehlen noch)

"Die ganz ungewöhnliche Dreiecksform und das sechszackige Sterngewölbe machen sie zu einem einmaligen Juwel der Spätgotik in Österreich und Europa."

Dr. Barbara Neubauer, Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Wien

"In meinem Kopf und meinen Büchern finde ich tatsächlich nichts Vergleichbares. Die spätgotische Dreifaltigkeitskirche in Bruck an der Mur ist wirklich ein einzigartiges Denkmal."

Prof. Dr. Peter B. Steiner, Kunsthistoriker